Freitag, 18. Juni 2010

Ein Frühlingsmärchen


Welches Märchen unsere Fußballer noch feiern werden, bleibt abzuwarten – wir alle drücken heute um halb zwei jedenfalls die Daumen.
Aber schon um 16.00 Uhr geht’s weiter, da werde ich auf dem Dorfplatz in Breckenheim unter unserem Pavillon mit einem Roten Sofa und hoffentlich vielen Getreuen politisch Rede und Antwort stehen.
Und das ist dann auch der Lauf der Dinge. Drei Monate Elternzeit. Vorbei. Der Alltag hat mich wieder, ein Alltag voller Abendtermine, Hektik, Stress und vor allem Abwesenheit. Eine ganz schöne Umstellung. Nicht das Arbeiten an sich, das gab es ja auch während der Elternzeit, denn in meinem Job gibt’s keine wirkliche Trennung zwischen Arbeit und Freizeit.
Aber das ist kein Grund zur Klage, es ist ja selbst so gewählt. Klage herrscht eher darüber, dass ich diese Woche drei Mal nach Hause kam und die kleine Frida schon geschlafen hat. Ob das künftig der Alltag sein wird?
Es sind die kurzen Momente des Innehaltens, die mich über diese Art des Arbeitens nachdenken lassen. Ist das wirklich alles so sinnvoll? Gibt es Alternativen? Oder ist das einfach der Lauf der Dinge?
In jedem Fall habe ich viel gelernt in den drei Monaten. Mehr als Gute-Nacht-Lieder, Windelwechseln, Kinderarzt und Fliegergriff. Erlebt habe ich, wie anstrengend so ein ganzer Tag „Nichtstun“ sein kann, ein Tag „nur“ Kind betreuen nach einer zweifach unterbrochenen Nacht, ein Tag „nur Haushalt machen“ bei einer einstündigen Essensunterbrechung alle drei Stunden.
Trotzdem. Das erste Lachen, das morgendliche Waschen, Wickeln und Anziehen, das Spielen und Singen. Das war mein ganz persönliches Frühlingsmärchen. Aber wie alle Märchen, so muss auch dieses irgendwann enden.
Für mich hat es sich gelohnt, Elternzeit direkt nach der Geburt zu beantragen, um das Leben nun als Familie zu beginnen. Eine reine Zeit als Betreuung, wie eigentlich von der Politik gewünscht, hätte ich als weniger erfüllend empfunden. Aber das ist Einstellungssache.
Ob die Menschen nun mehr Kinder bekommen, weil es Elterngeld gibt? Keine Ahnung, würde mich wundern, denn Geld kann so ein Gottesgeschenk, das ein Kind darstellt, weder aufwiegen noch einfordern.
Aber das Elterngeld kann zu einer verständnisvolleren und damit vielleicht endlich auch kinderfreundlicheren Gesellschaft beitragen. Und das, das ist dringend nötig. Denn irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass es nicht die finanziellen Voraussetzungen sind, die unser doch so reiches Deutschland zu einem der kinderärmsten Länder der Welt machen.
Deshalb habe ich mich gefreut, mein ganz persönliches Frühlingsmärchen zu erleben und kann es nur weiterempfehlen. Und jetzt: Ran an die Deutschlandfahne und Daumendrücken für ein zweites Sommermärchen.

(WT, 18.6.2010)

Freitag, 11. Juni 2010

Die Baby-Beschäftigungs-Industrie


Frida wächst und wächst und sie wird auch immer wacher und neugieriger. Das ist gut. Zwar ist sie derzeit ein wenig von einer leichten Erkältung samt unangenehmer Nebenerscheinung in Form von mehrmals täglich vollen Windeln geplagt, aber diese leichte Unpässlichkeit ist im Abklingen, so dass die weite Welt entdeckt werden will.
Zwecks Erkundung will der kleine "Tragling" also nicht nur fleißig ans Fenster geschleppt, am Bücherregal entlang gehoben und immer mal wieder aus grauer Städte Mauern in die Natur gebracht werden. Nein, Frida nimmt auch am gesellschaftlichen Leben teil.
Dementsprechend freuen wir uns auf die Weltmeisterschaft. Weniger weil wir unsere kleine Maus in schwarz-rot-goldene Fan-Strampler kleiden wollen, sondern weil wir Frida einmal mehr ins Gemeindehaus schleppen können und sie mit dem kirchlichen Vereinsleben beim Public Viewing vertraut machen können.
Aber diese Beschäftigungen sind ja alle meist abends und deshalb heißt es kreativ sein, was die Tagesgestaltung anbelangt. Und hier treffen wir zum Glück auf die so genannte Baby-Beschäftigungs-Industrie.
Die Angebote für Mutter und Kind sind vielfältig. Vom klassischen Rückbildungskurs über Babymassage, PEKiP, Babyschwimmen, Tragen im Tuch, Impfen: ja oder nein, guten Abend, gute Nacht bis zum Bewegungstreff und dem Krabbelkreis können Eltern aus einer Fülle von Offerten wählen.
Da gibt es an manchen Tagen schon mal Sozialstress, schließlich will ja noch gefrühstückt spazieren gegangen, gestillt und gewickelt werden, bevor es zum nächsten Kurs und abends ins Bett geht.
Aber wir geben es ganz offen zu: Wir finden es gut, dass es diese Angebote gibt. Denn erstens gefällt es unserer Frida und zweitens lernt man was dazu. Und das bei den Familienbildungsstätten - so viel Schleichwerbung sei gestattet - zu einem erstaunlich günstigen Preis. Jedenfalls besser (und bestimmt auch billiger) als die sicherlich auch irgendwo angebotenen Kurse "Chinesisch für Säuglinge", "Mozart im Mutterleib" oder "Englisch im Sandkasten".
Einzig bei den Zugangsmöglichkeiten lässt sich sozusagen ökumenisch noch etwas verbessern. Allerdings ist damit nicht die Buchung des Kursangebots gemeint, dies ist dank Internet und Telefon meist problemlos möglich. Nein, es geht ganz trivial um den Weg ins Roncallihaus, in dem der Aufzug für genau einen Kinderwagen ausreicht und um die Abstellmöglichkeiten im neuen Haus an der Marktkirche. Die sind noch nicht fertig. Aber daran wird bestimmt gearbeitet - wetten?

(WT, 11.6.2010)

Donnerstag, 3. Juni 2010

Gedankenspiele und Karriereziele


Es ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Menschheit: Was denken sich eigentlich Babys, die mit rund 12 Wochen und vier Tagen arglos schlummernd oder auch aufmerksam schauend in ihrer Wiege liegen?
"Nichts", lautet die eine Möglichkeit, die aber von der Neurophysiologie, der Psychologie und den Erziehungswissenschaften vehement bestritten wird. Die Naturwissenschaften erklären uns, dass sich durch aufmerksames Spielen, Lachen und Konzentrieren viele Synapsen erst ausbilden und dadurch das Denken überhaupt ermöglicht wird.
Die Psychologen sind sich sicher, dass nur die Ansprache und das Verständnis den Menschen zum Menschen (und damit auch das Baby zum Baby) machen. Und die Pädagogen erklären sowieso alles mit der richtigen Umgebung bzw. der Sozialisation vom ersten Tag an.
Stellen wir uns also mal vor, dass dies die Kriterien sind, die unsere kleine Frida an ihre Umgebung anlegt. An denen sie die Gespräche der Menschen, die auf sie einreden und die von oben in den Wagen schauen, misst.
Denken Sie jetzt auch, was ich denke? Ohne das zweite Gebot zu verletzen, kann man da nur ausrufen: Oh mein Gott - das arme Kind. Denn was sich so über Wiege und Kinderwagen beugt, erfüllt wohl selten die oben beschriebenen Anforderungen der Wissenschaft.
Was soll Frida denken, wenn sich zu gleichen Teilen von Männern und Frauen fachmännisch ausgetauscht wird: "Ganz schön groß geworden in den drei letzten Tagen." "Stimmt, und das Gesicht, so anders!"
Die Vielstimmigkeit kennt bei der "Frida-Beobachtung" keine Grenzen: Das arme Kind wird jeden Tag mit der Tatsache konfrontiert, es sei "ganz der Vater", habe aber "die Nase der Mutter". Eigentlich heißt es ja, solche Reden förderten die frühkindliche Entwicklung, manchmal scheint diese Art der Ansprache aber der direkte Weg in die Depression zu sein.
Zum Glück wird in unserem Verwandten- und Freundeskreis kaum das berühmte "Duzi-Duzi-Du" verwendet, auch das beliebte "ei-wo-isse-denn-die-kleine-Frida" wird selten bemüht (wo sollte sie auch sein, außer im Kinderwagen?)
Andererseits, wo kämen wir hin, wenn jeder Bewunderer einen intellektuellen Diskurs mit unserer Tochter führen würde. Am Ende landete das arme Kind in den gleichen brotlosen Studien wie Mutter und Vater und würde uns ewig auf der Tasche liegen.
Nein, ein bisschen Albernheit, Schabernack und dummes Zeug schadet gar nichts: Schließlich werden die Privatsender in unserem Land immer wirkmächtiger - und wer möchte schon eine kleine Klugscheißerin und Außenseiterin großziehen? Sehen Sie: Egal was die Wissenschaft sagt: "Duzi-Duzi-Du" ist also definitiv entwicklungsfördernd - und wie!

(WT, 3.6.2010)

Montag, 31. Mai 2010

Kleine Große und Große Kleine


Kranzplatzfest 2010: Jetzt gehören auch wir zu den Wiesbadenern, die die Tage nutzen, um nachmittags entspannt in der Sonne zu sitzen und den anderen Kindern beim Spielen zuschauen, während Frida selig schläft.
Und wir gehören nun auch zu der Gruppe, die nach dem Soundcheck, kurz vor 17.00 Uhr den Kranzplatz verlässt, weil es nun richtig laute Musik gibt. Gute zwar, aber leider für Kinder zu laut.
Auf dem Weg zur Wiese kommen wir an mehreren Müttern und Vätern mit Nachwuchs aller Altersgruppen vorbei. In dieser hoch-sympathischen Stimmung hören wir so manches Mal: "Ooooch, das ist aber noch ganz klein - wie süß!"
Nun. Natürlich ist unsere Frida noch ganz klein, schließlich hat sie übermorgen erst ihren 12-wöchigen-Geburtstag. Trotzdem finden wir ganz subjektiv, dass Frida schon richtig groß ist. Eine große Kleine sozusagen.
Dieses Urteil wird vom Kinderarzt wissenschaftlich gestützt: Mittlerweile ist unser Nachwuchs 56 Zentimeter lang und über 4.500 Gramm schwer. Jawollja. Wir wischen dann immer den Einwand zur Seite, dass es Babys gibt, die bereits mit diesem Gewicht zur Welt kommen. Wir sind trotzdem stolz.
Eigentlich meinen es die Kommentatoren ja auch nur gut - sie erinnern sich, wie das bei ihren Kindern war und dass solche süßen kleinen Würmchen eben noch pflegeleichter sind, als ihre kleinen Großen, die jetzt dauernd am Rockzipfel ziehen und noch einen Crêpe, ein paar Poffertjes oder eine Bratwurst haben wollen (und zwar sofort).
Insgesamt kann man es auch nur als Wunder bezeichnen, wie das mit dem kindlichen Wachstum so vor sich geht. Uns kommen schon die Kinder groß vor, die nur wenige Wochen vor Frida auf die Welt gekommen sind. Die sind schon richtig massiv - so wird unser filigranes Töchterlein natürlich nie werden!
Aber wirklich: bemerkenswert ist doch der Zeitfaktor. Unsere Welt wird immer schneller, alles muss sofort erledigt werden, duldet keinen Aufschub. Jede Nachricht wird getwittert oder ge-smst, wer auf Mails nicht im Minutentakt antwortet, ist langsam und das Internet versorgt uns andauernd mit neuen Nachrichten.
Da ist das Wachstum von Kindern doch eine wohltuende Entschleunigung des Alltags. Denn seit Jahrtausenden wachsen Kinder nun mal in der Geschwindigkeit, in der sie wachsen. Egal wie hektisch wir uns die Welt machen, Babys haben ihren eigenen Rhythmus - und das scheint mir gut so.
Und deshalb ist Frida immer noch recht klein - trotz des für uns beobachtbaren rapiden Wachstums. Eine große Kleine sozusagen.

(WT, 28.5.2010)

Schlaflos in Wiesbaden

Sehen Sie meine leicht geröteten Augen? Nein, sehen Sie natürlich nicht – Sie lesen ja diese Kolumne. Nun, ich hatte ja bereits vor einigen Wochen über die unterbrochenen Nächte geschrieben, hier ist die Fortsetzung.
Mit dem Schlafverhalten unserer Frida ist es wie mit den derzeitigen Aktienwerten an der Frankfurter Börse: Der reinste Zickzack-Kurs. Nachdem wir einige Wochen durchaus ruhige Nächte verbringen durften, befinden wir uns momentan in der Bauchweh-Zeit.
Diese Phase ist sicherlich vielen Eltern bekannt und wir wollen uns auch nicht beschweren, schließlich war Frida die ersten Wochen davon nicht betroffen. Aber inzwischen klappt das mit der Verdauung nicht mehr so gut und damit sinken die Schlaf-Kurse.
Was also tun, wenn sich unser kleines Würmchen vor Schmerzen krümmt? Das, was alle tun, getan haben und tun werden: Raus aus der Wiege und rein in den Fliegergriff. Damit wird es meist schlagartig besser, die kleine Maus beruhigt sich und sieht etwas entspannter aus.
Einziges Problem: Es ist da mal 3.30 Uhr nachts oder auch 5.00 Uhr morgens. Die müden Eltern tigern durch das Wohnzimmer und stellen sich Fragen über Gott und die Welt: Sind wir eher im Glück, weil wir viele Wochen Ruhe hatten oder eher im Pech, weil uns die grimmigen Frida-Flatulenzen doch noch erreicht haben? Ist es nicht ungerecht, dass wir hier in der Mitte der Nacht durch die Wohnung wackeln, obwohl doch angeblich nur Jungen von den berüchtigten Dreimonatskoliken heimgesucht werden?
Das Schlimmste aber scheint uns beiden das Nichtstun. Kann man oder frau am Nachmittag noch geistlose Sendungen im Privatfernsehen verfolgen, wenn es um nichts anderes als um die schaukelnden Bewegungen geht, so ist das nachts schon schwieriger. Denn erstens laufen nur Wiederholungen und zweitens soll Frida ja bald wieder einschlafen, eine bunt-laute Fernsehkulisse erscheint um halb vier dafür nicht gerade optimal.
Was also tun? Die Buchrücken im Regal habe ich bereits im Großhirn abgespeichert, die Autokennzeichen auf der Straße auswendig gelernt und die dazu passenden Automarken memoriert. Händeringend suche ich den Bürgersteig nach Nachtschwärmern ab, die etwas Abwechslung in mein schuckelndes Dasein bringen. Aber um vier Uhr ist das in unserer Straße wenig erfolgreich. Und ab sechs Uhr morgens ist zwar das Radio durchaus zu empfehlen, aber das Nachtprogramm?
Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich voll auf Frida zu konzentrieren. Und irgendwie ist das ja auch der Sinn der Sache. Obwohl, vielleicht sollte ich doch mal den MP-3-Player...? Die Fragen nehmen mit dem Kindesalter nicht ab.

(WT, 21.5.2010)

Leistungsdruck


Neulich bei einer unterhaltsamen Kabarett-Veranstaltung unserer Pfarrgemeinde: Frida war der Star des Abends und schlummerte in der Bauchtrage friedlich von Anfang bis Ende und in der Pause gab es unweigerlich Gespräche mit anderen frisch gebackenen Eltern.
"Och, Marie schläft seit etwa zwei Monaten durch. Ich bringe sie um acht ins Bett und dann wacht sie so morgens um sechs wieder auf." Leichtes Schlucken unsererseits. Denn Marie ist gerade einmal fünf Monate älter als Frida.
Erste Selbstzweifel auf dem Heimweg: Was machen die anders? Warum fordert Frida immer noch zwei Mal die Nacht ihre Extraportion Milch? Ratlosigkeit macht sich breit. Und es beschleicht uns das Gefühl, dass dies erst der Anfang ist.
"Habt Ihr schon einen Kindergartenplatz", wurden wir letztens gefragt. Pflichtschuldigst ging keine drei Stunden nach der Zweifel säenden Frage die E-Mail an die Kita unseres Vertrauens, ob wir in den nächsten Wochen vorstellig werden dürften, um unsere Frida für den Sommer 2013 (!) anzumelden. Zum Glück bekamen wir eine entspannte Antwort, dass diese Kindertagesstätte nach anderen Kriterien auswählt, nicht so sehr nach dem Anmeldedatum.
Beide Beispiele zeigen: Als Eltern steht man (und frau) eigentlich permanent unter Beobachtungs- und Leistungsdruck. Kein Wunder, dass alle Kinder später einmal kleine Einsteins werden müssen - irgendwohin muss dieser Druck ja weitergegeben werden!
Obwohl wir uns vorgenommen haben, die Sache etwas entspannter anzugehen, kommen wir um einige Fragen nicht herum: Was ist mit einem Krippenplatz? Der wäre in einem Jahr nötig, sollten wir uns nicht besser sputen? Wie ist es mit Babymassage, Kinderschwimmen oder PEKiP? Vermasseln wir unserer Frida die Zukunft, wenn sie nicht schon im Babyalter optimal gefördert wird? Fragen über Fragen.
Und wir geben es ganz ehrlich zu: Einige Zweifel bleiben immer übrig - woher sollten wir beim ersten Kind auch wissen, was zu tun und was zu lassen ist? Am besten fahren wir allerdings mit den Ratschlägen der beiden Uromas unserer Frida: "Die Kinder werden in jedem Fall groß - macht Euch mal nicht so viel Stress." Das wollen wir in Zukunft stärker beherzigen.
Trotzdem werden wir natürlich in den kommenden Monaten bei unserer Kita vorbeischauen und Frida schon einmal anmelden. Sicher ist sicher.

(WT, 13.5.2010)

Neusprech für Eltern

"Neusprech" heißt die Sprache, die George Orwell in seinem famosen Roman "1984" erfunden hat, um die Bewohner seines Überwachungsstaates zu kontrollieren. Nun, wir leben zwar in einer Demokratie, aber die Sprache passt sich schon subtil der neuen Elternrolle an.
Dabei geht es nicht um solch komische Ausdrücke wie "Schnullern" oder die vielen Kosenamen auf die Eltern zur Beruhigung ihres Nachwuchses kommen. Es soll auch nicht hinterfragt werden, warum selbst Eltern kleinster Babys davon sprechen, dass ihr Kind nachts "mindestens drei Mal kommt", obwohl es doch noch gar nicht laufen kann.
Nein, hier geht es um die Eltern als zu werbende Zielgruppe für eine Unzahl von Produkten - also um das "Marketingsprech", wenn man so will, um die heillos überforderten Konsumenten, die ja nur um das Wohl ihres Nachwuchses besorgt sind, einzuwickeln.
"Nach einem Tag voller Eindrücke braucht Ihr Baby eine ruhige Nacht, heißt es da in einer Broschüre und ich bin geneigt auszurufen: "Nicht nur das Baby!"
Schön, dass unsere Frida also eine gute Nacht braucht - diese scheint aber offenbar nur mit dem "Gute-Nacht-Fläschchen" des Nahrungsmittelherstellers garantiert. Liegt das nächtliche Bauchweh also daran, dass wir noch kein "Gute-Nacht-Fläschchen" geben können, das "Ihr Baby nach einem Tag voller Abenteuer nachts wohlig satt hält" und das "Bio-Folgemilch und glutenfreien Buchweizen" enthält? Erste Zweifel kommen auf.
Weiter geht es mit dem vorbeugend schlechten Gewissen, denn wir erfahren, dass zu einem "Tag voller Abenteuer" auch ein guter Start gehört - natürlich mit dem "Guten-Morgen-Fläschchen".
Aber es sitzt einem der Zweifel ja nicht nur bei der Ernährung im Nacken: Egal ob Kleidung, Windeln oder Spielsachen - Eltern werden an allen Ecken und Enden daran erinnert, dass nur "unsere Windel" den perfekten Tragekomfort für wohliges und sauberes Liegen" bietet. Oh je.
Denn mit unseren Windeln aus dem Drogeriemarkt müssen wir da wohl oder über alt aussehen. Die sind zwar viel billiger, gleichen der Premiummarke aufs Haar und versprechen ebenfalls Schutz vor Nässe und Schlimmerem, aber ob sie wirklich so gut sind, wie der Marktführer? Wieder einmal scheinen Zweifel angebracht. Es wird also sicherlich dringend Zeit für ein neues Wörterbuch mit etwas sperrigem Titel: "Marketingsprech für junge Eltern - Verlässliches Deutsch".

(WT, 7.5.2010)

Blickwechsel


Geht Ihnen das auch so? Sie sind in einer neuen Lebenssituation und plötzlich fallen Ihnen Dinge auf, die sie vorher zwar gesehen aber nie bewusst wahrgenommen haben?
Klassisches Beispiel ist der Jobwechsel: Es treten plötzlich Dinge in den Hintergrund, die vorher immens wichtig waren und neue Sachzwänge tauchen auf, von denen man bisher gar nicht wusste, dass es die überhaupt gibt.
Noch einschneidender ist mir solch ein Blickwechsel nun durch die Geburt von Frida und die damit verbundene Elternzeit vor Augen geführt worden. Denn nichts ist mehr so, wie es einmal war – und das hat in diesem Fall einmal nichts mit Schlafmangel oder gewachsener Verantwortung zu tun..
Natürlich habe ich die Kinderwagen in der Stadt auch vorher schon bemerkt – man geht ja offenen Auges durch die Fußgängerzone. Aber waren es damals wirklich auch schon so viele oder ging mit Fridas Geburt eine generelle Bevölkerungsexplosion einher?
Haben deutsche Autobauer gerade Sondermodelle aufgelegt oder warum habe ich das Gefühl, dass auf jeder Rückbank mindestens ein Kindersitz montiert ist? Ungelogen: In fast jedem Auto!
Ist es wirklich so, dass Aufzüge in Kaufhäusern schlecht zu erreichen und permanent überfüllt sind? War es schon immer der Fall, dass Autofahrer ohne Rücksicht auf Verluste an den abgesenkten Bürgersteigen parken, so dass Fahrrad-, Rollstuhl- und Kinderwagenfahrer nicht durchkommen?
„Man sieht nur das, was man entweder gezeigt bekommt oder was einen betrifft“, lautet eine Lebensweisheit, die auf dieses Phänomen recht gut zu passen scheint.
Oder – etwas hochgeistiger: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, hat der alte Charly Marx festgestellt und wir wollen – auch wenn der 1. Mai nahe ist – nicht über die politische Aktualität dieser Aussage diskutieren. Aber bezogen auf meine jetzige Situation lag der Philosoph aus Trier überwiegend richtig: Das Vater-Sein und vor allem die dauerhafte ganztägige Betreuung der kleinen Frida beeinflusst das Bewusstsein und ermöglicht damit einen Blickwechsel.
Aber das, so habe ich bemerkt, relativiert sich auch irgendwann. Denn komischerweise fallen mir schwangere Frauen im Vergleich zu früher schon gar nicht mehr auf. So schnell kann das gehen mit dem Blickwechsel. 

(WT, 30.4.2010)

Spazieren gehen: Ein komplexer Prozess


Als Eltern verliert man doch einige Hemmungen. Nein, diesmal soll nicht die Rede vom Stillen in der Öffentlichkeit, vollen Windeln oder besabberten Lätzchen sein, sondern vom hemmungslosen Blick auf andere Kinder und deren Eltern.
Kinder brauchen viel frische Luft und unsere Frida ist da keine Ausnahme. Der tägliche Spaziergang führt uns daher häufig durch die anliegenden Wohngebiete, durchs Dichter- und Rheingauviertel, aber auch mal in den Biebricher Schlosspark oder an den Schiersteiner Hafen. Wen wundert's, dass wir in unserer schönen Stadt in den eher ruhigen Straßen reihenweise anderen Eltern bzw. Müttern oder Vätern mit Kinderwagen begegnen. Und meist kommt es dann zu einem interessanten Aufeinandertreffen in mehreren Abschnitten.
Die Beobachtung: Von weitem werden die Eltern samt Kinderwagen taxiert, man macht sich ein Bild über die sportlichen oder luxuriösen Vorlieben des entgegen kommenden Pärchens, analysiert Farbauswahl und Accessoires.
Die Annäherung: Langsam schlendern die Pärchen sich gegenseitig abschätzend aufeinander zu, täuschen aber vor, selbst noch in anregender Konversation versunken zu sein. Eigene Laufwege werden überprüft - man will zwar nicht ausweichen, aber den Bürgersteig auch nicht blockieren.
Der Aufprall: Kurz bevor sich die Kinderwagenspitzen erreichen, blicken beide Paare wie durch Zufall nach oben und zumindest einer auf jeder Seite legt ein wissendes Grinsen auf und nickt dem jeweils anderen freundlich zu. Meist wird auch ein schüchtern-nettes "Hallo" ausgetauscht.
Die Trennungs- und Analysephase: Die Kinderwagen und ihre Schieber passieren einander, ein leichtes Kopfdrehen signalisiert die besten Wünsche für den weiteren Weg und schon geht das Getuschel los: "Hast Du gesehen, wie hässlich deren Wagen war?" - "Ja. Und er hat sauertöpfisch geguckt und nicht gegrüßt; dafür wirkte sie doch ganz nett..."
Im Extremfall ist zwischendrin noch die Gesprächsphase zu erwähnen: Die Eltern bleiben stehen und schauen ohne jedes Zögern - Hemmungen gibt es ja keine - in den jeweils anderen Wagen. Schnell ist die gemeinsame Basis gefunden, spätestens wenn es um einen nah beieinader liegenden Geburtstermin, das gleiche Geschlecht, ähnliche Tagses- und Nachtrhythmen oder Tricks zum Einschlafen geht.
All das zeigt: Spazieren gehen ist schon lange nicht mehr nur entspanntes Schlendern an der frischen Luft, sondern ein hochgradig komplexer psychologischer Prozess. Zumindest für junge Eltern mit Kinderwagen.

(WT, 23.4.2010)

Die kleine Raupe Nimmersatt

Dem ein oder der anderen wird das wunderschöne Bilderbuch von Eric Carle: "Die kleine Raupe Nimmersatt" ein Begriff sein. Frisch aus dem Ei geschlüpft macht sich eine kleine, wenig ansehnliche Raupe, auf den Weg, um Futter zu suchen.
Nicht nur, dass sie sich täglich durch raupenspezifisches Obst und Gemüse frisst, nein am Samstag nimmt sie alles mit, was geht: Eis, Schokolade, Wurst, Kuchen und andere Leckereien. Schließlich ist sie nicht mehr hungrig und auch nicht mehr klein und schlüpft zu einem wunderschönen Schmetterling.
Natürlich steht außer Frage, dass - da bereits geschlüpft - unsere kleine Frida in jedem Fall schon ein wunderschöner Schmetterling ist. Aber ansonsten gleicht sie der kleinen Raupe Nimemrsatt im Essverhalten doch ziemlich. Unterstützt wird sie dabei von den Thesen der modernen Pädagogik.
In den technikgläubigen 70er Jahren wurde wenig gestillt, denn: "Alles was synthetisch hergestellt wird, muss besser sein als die Natur!" Und in den naturnahen aber ordnungsliebenden 80ern gewährte frau nach festen Rhythmen die Brust: "Alle vier Stunden ist völlig ausreichend!" Heute hingegen ist - wie bereits mehrfach hier beschrieben - das Motto "Zurück zur Natur!"
Also empfiehlt die moderne Kleinkind-Pädagogik, dass gestillt wird, bis der Arzt kommt. Wann immer die kleinen Mäuse heutzutage Hunger haben, werden sie angelegt. Eigentlich nicht schlecht: So bekommen sie immer genug Nahrung und das Verb "Stillen" wird seinem Hauptwort "Stille" häufig paradiesisch gerecht.
Alles in Ordnung, könnte man meinen, wäre da nicht unsere kleine Raupe Nimmersatt: Denn kaum wurde die letzte Hauptmahlzeit verspeist, kräht sie auch schon nach dem Dessert, teilweise servieren wir (also eigentlich meine Frau) ganze Mehrgang-Menüs, die dann auch mal über eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen können.
Rund acht Mal Stillen, im Schnitt 45 Minuten - es handelt sich dabei also durchaus um einen Vollzeit-Job - mit Überstunden, Schichtarbeit und manchmal auch Erschwerniszulage. Aber wir wollen uns natürlich nicht beschweren, sieht man von den kleinen Schwierigkeiten in der Öffentlichkeit oder den "Reibungsverlusten" an der empfindlichen Haut ab.
Trotzdem fragen wir uns, warum die kleine Frida sich den Bauch vollschlägt wie die Raupe Nimmersatt, wenn sie doch bereits ein so hübscher Schmetterling ist. Weiteres Grübeln ist angesagt.

(WT, 16.4.2010)

Neue und neuere Ratgeber


"Weißt Du wieviel Sternlein stehen...", tönt es derzeit jeden Abend ab acht aus unserem Kinderzimmer. Denn: Rituale sind wichtig, besonders abends, und deshalb wird gesungen. Und wenn das Umziehen mal etwas länger dauert, dann werden die vier Strophen eben gnadenlos wiederholt.
Aber es wäre gelogen, heute freudestrahlend von den Erfolgen unserer Einschlafbemühungen zu berichten. Im Gegenteil. Wir haben das Gefühl, es wird eher schlimmer. Nun, Frida ist ja noch nicht einmal fünf Wochen alt und vielleicht sind wir ein bisschen ungeduldig. Trotzdem haben wir uns im Internet ein wenig Rat und Hilfe geholt und sind unversehens in einen Konflikt hinein geraten.
Im weltweiten Netz tobt nämlich in vielen Foren ein stiller aber verbissener Krieg zwischen den "Familienbettlern" und den "Schreienlassern". Währen die erste Gruppe deutlich in der Überzahl ist und sich "auf die natürlichen Instinkte" verlässt, orientiert sich die zweite Gruppe an dem Bestseller vergangener Tage: "Jedes Kind kann schlafen lernen."
Wir gehören derzeit noch zur Gruppe der Familienbettler, von alten Hasen wahrscheinlich als Warmduscher und Weicheier bezeichnet. Bei uns schläft das Kind, nach ersten Alleinschlaf-Bemühungen und fortdauernden lautstarken Protesten gegen die als zu groß und zu kalt empfundene Wiege, auch im Ehebett. Nach dem jeweiligen nächtlichen Stillen probieren wir es wieder mit der Wiege - manchmal klappt es, manchmal nicht.
Die andere Gruppe fühlt sich allerdings unter Druck gesetzt, sie sei herz- und gefühllos, nur weil man auf feste Regeln poche, das Kind im eigenen Bett schreien lasse und lediglich bei längerem Brüllen zur Beruhigung ans Bettchen trete (meistgehasstes Zitat: "Oh, es gibt noch Mamas, die so etwas praktizieren? Grausam...").
Insgesamt haben die Forumsbeiträge zum Thema Einschlafen die weitaus größte Nutzerzahl. Ist ja klar, in der letzten Woche hatten wir ja auch drei richtige Alptraum-Nächte, in denen wir nicht wussten, warum die kleine Frida - obwohl satt und sauber - einfach nicht schlafen, sondern lieber grummeln oder gar schreien wollte.
Die letzte Nacht war hingegen der Lichtstrahl am Horizont. Drei Mal stillen, dazwischen sanft in Morpheus Armen eingeschlummert, so dass die Eltern auf ihre sieben, acht Stunden Schlaf kamen. Dafür steigt nun die Unruhe tagsüber und keiner weiß warum. Ach, es ist keine einfache Zeit - aber eine wunderschöne.

(WT, 9.4.2010)

Alte und neue Ratgeber

Unsere Frida ist - wie der Name ja andeutet - ein friedliches Kind. Eigentlich schreit sie nur, wenn sie Hunger hat, und je größer der Hunger, desto lauter die Schreie. Als mittlerweile seit fast vier Wochen erfahrene Eltern wissen wir natürlich um die Vorbereitungen für die gerusame Nachtruhe.
Ganz wichtig ist das so genannte Abendritual. Also wird erst gestillt, dann gewickelt, dabei gesungen anschließend umgezogen und schließlich in die Wiege gelegt. Nach all diesen aufopferungsvollen Tätigkeiten haben sich die vom noch ungewohnten Tagesablauf erschöpften Eltern einige ruhige Stunden verdient... eigentlich. Denn Frida scheint es in der Wiege nicht zu gefallen, das Schreien nimmt also seinen nächtlichen Lauf.
Jetzt ist es ja nicht so, als würde uns diese Tatsache so fürchterlich überraschen - der halbe Freundeskreis hat schließlich in den ersten Lebensmonaten der Nikolas, Paulas, Idas und anderer Kinder mit Augenringen und schrecklicher Blässe die Tage überstanden. Aber wir hatten gedacht, dass uns das natürlich nicht passiert und wir ein braves, mustergültig schlafendes kleines Wesen in seine Wiege legen und die Eltern nach achtstündigem, nur durch einmaliges Stillen und Wickeln unterbrochenem Schlaf erfrischt ans Tagwerk gehen können.
Guter Rat ist zwar nicht teuer - er will aber eingeholt werden. Die Methode der älteren Elternjahrgänge ("stellt sie ins Nebenzimmer und lasst sie zwei Nächte schreien, dann beruhigt sie sich schon") mag uns so richtig nicht gefallen, aber auch das Dauerstillen und die Nicht-Nachtruhe durch ein kleines Baby im elterlichen Bett sind keine nachhaltige Lösung.
Gut gemeinte Tipps ("Ihr solltet einfach das tun, womit Ihr Euch gut fühlt") sind zwar moralisch hilfreich, aber in der Praxis helfen sie auch nicht zum erholsamen Schlaf.
Wir wenden uns also weder Uromas, Omas, Tanten, Cousinen und Freundinnen zu, sondern befragen außer unseren gedruckten Ratgebern auch das Internet. Der Vorteil: Bereits die kleinste Andeutung, dass unsere Frida nachts ein bisschen schreit wird von Google mit gefühlten 17.000 Treffern bedacht. Und die erlösende erste Botschaft: Alles ist ganz normal, wir müssen uns keinerlei Sorgen machen.
Die Flut der Ratschläge umfasst allerdings sämtliche Einschlaftechniken: Im Ehebett, im eigenen Bett, an Mamas Busen, im Schlafsack, gepuckt, besungen, gestreichelt und bequatscht. Nach einer ersten vierstündigen Durchsicht bin ich so schlau wie zuvor. Aber probieren geht schließlich über studieren. Die Ergebnisse der spannenden Experimente gibt's nächste Woche.

(Erschienen im Wiesbadener Tagblatt am 1.4.2010)

Kindersachenflohmärkte


Heute soll es einmal weniger um die persönlichen Befindlichkeiten des jungen Vaters gehen, sondern um ein Thema übergeordneten Interesses: Die schwäbische Hausfrau. Eben jene Dame steht derzeit bundesweit hoch im Kurs, gilt sie doch als Musterbeispiel von Sparsamkeit, das sich sogar die Kanzlerin als Vorbild für den Bundeshaushalt auserkoren hat.
Als doppelter Experte - junger Vater und Verwandter von mehreren schwäbischen Hausfrauen - darf ich vermuten, dass eine nicht neue aber keinesfalls etablierte Institution, durchaus von der sprichwörtlichen schwäbischen Hausfrau erfunden wurde: Der Kindersachenflohmarkt.
Noch vor wenigen Jahren wusste ich nicht, dass es diese Flohmärkte überhaupt gibt, meist fanden sie versteckt in den Kindertagesstätten statt und dienten dem Kleidertausch von Müttern und Vätern, deren Kinder immer schneller aus ihren Klamotten wuchsen. Ganz früher war es ja noch üblich, dass die Kindersachen in den Familien weitergegeben wurden, ich jedenfalls trug die völlig aus der Mode gekommenen Schlaghosen meines Cousins. Aber auch hier hat offenbar die demografische Falle zugeschlagen: Denn immer weniger Kinder im Verwandtenkreis bedeuten auch, dass immer weniger Pullis, Hosen und Socken die Familien durchwandern.
Was also tun? Richtig: Kindersachenflohmärkte organisieren. Denn für hochwertige Kinderkleidung muss in der einschlägigen Geschäften der Innenstadt schon einiges hingeblättert werden und wer kann sich schon jede Saison völlig neu einkleiden?
Noch sind wir ja gut ausgestattet, profitieren wir von den vielen schönen Stramplern, Söckchen und Bodys, die die kleine Frida zur Geburt geschenkt bekommen hat und außerdem haben wir eine Umzugskiste abgelegter Sachen aus Berlin geschickt bekommen. Aber der Besuch beim Kindersachenflohmarkt hat schon einmal gezeigt, wo wir künftig prima Ware zu anständigen Preisen bekommen können. Der Vorteil: Alles schon x-Mal gewaschen und auf Rissfestigkeit erprobt.
Einziger Wehrmutstropfen: Am vergangenen Samstag wurden in unserem Viertel sage und schreibe vier Kindersachenflohmärkte parallel abgehalten. Und die alle abzuklappern schafft weder die schwäbische Hausfrau noch der nassauische Elternzeit-Mann, der hier zwar eine Lanze bricht für den Kindersachenflohmarkt an sich, der aber allen Organisatoren ans Herz legt sich künftig besser abzustimmen und daher im Internet eine Terminbörse für Kindersachenflohmärkte vorschlägt - am besten unter www.wiesbaden.de/kindersachen.

(Erschienen im Wiesbadener Tagblatt am 26.3.2010)

Die modernen Väter - ständig im Weg

Beim Thema Geburt und Vaterschaft ist in den vergangenen 20, 30 Jahren ja einiges in Fluss geraten. War es vor einigen Jahren eher unüblich, dass die Väter bei der Geburt dabei sind, so ist dies heute fast ein Muss, will man sich nicht dem Vorwurf der Rückschrittlichkeit aussetzen.
Hier soll es aber nicht um die Geburt selbst gehen - da kann sich der Erzeuger ja noch durch Händchenhalten, aufmunterndes Zureden, organisatorische Botendienste und die einfache Anwesenheit in diesen schwern Stunden wirklich nützlich machen.
Nein, ich spreche von den ersten Tagen der jungen Familie. Nach dem anfänglichen Schulterklopfen geht es für die Herren der Schöpfung eigentlich nur noch bergab. Zwar dürfen sie die ersten Tage im Krankenhaus am Bett der erschöpften Frau Wache halten, aber irgendwie stören sie auch ein bisschen.
Auf der Geburtsstation wird das "starke Geschlecht" von Tag zu Tag kleinlauter: Denn irgendwie ist man(n) ständig im Weg: Egal ob die Stillberaterin das Anlegen zeigt oder die Physiotherapeutin die ersten Rückbildungs-Übungen erklärt. Der strenge Satz ist immer der Gleiche: "So, der Papa kann jetzt mal das Kind halten, während wir hier beschäftigt sind."
Nichts gegen die wichtige Vater-Tochter-Zeit, aber ich rücke mit meinem Töchterchen auf den Armen auf meinem Stühlchen immer weiter zurück, während sich die anderen geschäftig an die Wochenbett-Arbeit machen. Man(n) ist geduldet, mehr nicht.
Noch schwieriger wird es, wenn die Krankenschwestern wissende Blicke mit meiner Frau austauschen, als es ums Stillen und den Verdauungstrakt der kleinen Frida geht. Und beim Wickeln werde ich schon gar nicht mehr gefragt, ich stelle mich mit meinen großen Fingern in der Tat auch nicht sehr geschickt an.
Ohne wehleidig wirken zu wollen fragt man(n) sich, ob denn den abendlichen Zechgelagen von früher eine neue Aufgabenbeschreibung für frisch gebackene Väter gefolgt ist. Die deprimierende Antwort: offenbar nicht. Und da es zuhause mit der Nachsorge-Hebamme genauso weitergeht (immerhin darf ich da den Haushalt machen, fühle mich also nicht ganz so überflüssig), überlege ich, ob ich nicht doch den Kurs "Männer unter sich - Vorbereitung auf die Vaterschaft" hätte belegen sollen. Mir scheint, das Leben hat noch weitere Überraschungen parat. Es bleibt spannend.

(Erschienen im Wiesbadener Tagblatt am 19.3.2010)

Glückwünsche 2.0


Frida ist da. Und das Glück kennt keine Grenzen – auch keine elektronischen. Nach der Geburt und dem ersten Kennen lernen von Vater und Tochter ist eine kurze Verschnaufpause angesagt. Und neben Stulle und Dusche steht ja auch das Verkünden der guten Nachricht bei Verwandten und Bekannten auf dem Programm.
Beim 60. Geburtstag eines Freundes ist mir vor kurzem die Geburtsanzeige seiner Eltern in die Hände gefallen. „Wir geben voller Freude und Stolz die Geburt unseres Stammhalters bekannt“, hieß es da in der edel gedruckten Karte, der sicherlich auch eine Zeitungsanzeige folgte – schließlich war das 1950.
Am Geburtstag unserer kleinen Frida war für solch ein hochwertiges Druckerzeugnis erst einmal keine Zeit. Also wurden zwei aktuelle Fotos per E-Mail verschickt, dazu eine kurze Darstellung der Fakten: 49 cm, 3100 Gramm, Mutter und Kind wohlauf. Die Rückmeldungen waren überwältigend: Da unsere Frida als Sonntagskind auf die Welt kam und viele Menschen offenbar Sonntags auch ihre elektronische Post durchsehen, kam eine Antwort-Mail nach der anderen zurück.
Noch erstaunlicher als die vielen Mails war allerdings die Verbreitung der Information über die so genannten „sozialen Netzwerke“ im Internet. Unabhängig davon, ob im „www“ überhaupt so etwas wie ein soziales Netzwerk entstehen kann, ist die Geschwindigkeit beeindruckend. Keine fünf Stunden nach der Geburt und etwa eine Stunde nach meiner elektronischen Informationspost hatte sich unsere kleine Frida bereits auf „facebook“ einen Namen gemacht.
Eigentlich dient facebook - wie das gesamte "Web 2.0." ja dem Austausch von persönlichen Befindlichkeiten: jeder und jede kann schreiben, was er oder sie gerade macht und Hunderte von „Freunden“ können daran Anteil nehmen. Und als unsere Nachbarin auf ihre Pinnwand schrieb, sie fände unsere Frida „sooooo süß“, hagelte es nur so Kommentare.
Spätestens hier mischte sich der Vaterstolz mit der menschlichen Sammel-Leidenschaft: 12 Mal „gefällt mir“, fünf Glückwunsch-Benachrichtigungen und drei Botschaften, dass die Tochter wohl geraten sei. Mit stolz geschwellter Brust geht es wieder zurück ins Krankenhaus. Der hübsche Nebeneffekt: Bereits am ersten Lebenstag unserer kleinen Frida weiß es die halbe Welt – und die Karte über den „Stammhalter“, der bei uns eine Stammhalterin ist, hat noch etwas Zeit.
Auf welchen Wegen sich die Nachricht auch immer verbreitet: Nur geteilte Freude ist ganze Freude. Eine spannende Zeit hat begonnen.

(Erschienen im Wiesbadener Tagblatt am 12.3.2010)