Freitag, 18. Juni 2010

Ein Frühlingsmärchen


Welches Märchen unsere Fußballer noch feiern werden, bleibt abzuwarten – wir alle drücken heute um halb zwei jedenfalls die Daumen.
Aber schon um 16.00 Uhr geht’s weiter, da werde ich auf dem Dorfplatz in Breckenheim unter unserem Pavillon mit einem Roten Sofa und hoffentlich vielen Getreuen politisch Rede und Antwort stehen.
Und das ist dann auch der Lauf der Dinge. Drei Monate Elternzeit. Vorbei. Der Alltag hat mich wieder, ein Alltag voller Abendtermine, Hektik, Stress und vor allem Abwesenheit. Eine ganz schöne Umstellung. Nicht das Arbeiten an sich, das gab es ja auch während der Elternzeit, denn in meinem Job gibt’s keine wirkliche Trennung zwischen Arbeit und Freizeit.
Aber das ist kein Grund zur Klage, es ist ja selbst so gewählt. Klage herrscht eher darüber, dass ich diese Woche drei Mal nach Hause kam und die kleine Frida schon geschlafen hat. Ob das künftig der Alltag sein wird?
Es sind die kurzen Momente des Innehaltens, die mich über diese Art des Arbeitens nachdenken lassen. Ist das wirklich alles so sinnvoll? Gibt es Alternativen? Oder ist das einfach der Lauf der Dinge?
In jedem Fall habe ich viel gelernt in den drei Monaten. Mehr als Gute-Nacht-Lieder, Windelwechseln, Kinderarzt und Fliegergriff. Erlebt habe ich, wie anstrengend so ein ganzer Tag „Nichtstun“ sein kann, ein Tag „nur“ Kind betreuen nach einer zweifach unterbrochenen Nacht, ein Tag „nur Haushalt machen“ bei einer einstündigen Essensunterbrechung alle drei Stunden.
Trotzdem. Das erste Lachen, das morgendliche Waschen, Wickeln und Anziehen, das Spielen und Singen. Das war mein ganz persönliches Frühlingsmärchen. Aber wie alle Märchen, so muss auch dieses irgendwann enden.
Für mich hat es sich gelohnt, Elternzeit direkt nach der Geburt zu beantragen, um das Leben nun als Familie zu beginnen. Eine reine Zeit als Betreuung, wie eigentlich von der Politik gewünscht, hätte ich als weniger erfüllend empfunden. Aber das ist Einstellungssache.
Ob die Menschen nun mehr Kinder bekommen, weil es Elterngeld gibt? Keine Ahnung, würde mich wundern, denn Geld kann so ein Gottesgeschenk, das ein Kind darstellt, weder aufwiegen noch einfordern.
Aber das Elterngeld kann zu einer verständnisvolleren und damit vielleicht endlich auch kinderfreundlicheren Gesellschaft beitragen. Und das, das ist dringend nötig. Denn irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass es nicht die finanziellen Voraussetzungen sind, die unser doch so reiches Deutschland zu einem der kinderärmsten Länder der Welt machen.
Deshalb habe ich mich gefreut, mein ganz persönliches Frühlingsmärchen zu erleben und kann es nur weiterempfehlen. Und jetzt: Ran an die Deutschlandfahne und Daumendrücken für ein zweites Sommermärchen.

(WT, 18.6.2010)

Freitag, 11. Juni 2010

Die Baby-Beschäftigungs-Industrie


Frida wächst und wächst und sie wird auch immer wacher und neugieriger. Das ist gut. Zwar ist sie derzeit ein wenig von einer leichten Erkältung samt unangenehmer Nebenerscheinung in Form von mehrmals täglich vollen Windeln geplagt, aber diese leichte Unpässlichkeit ist im Abklingen, so dass die weite Welt entdeckt werden will.
Zwecks Erkundung will der kleine "Tragling" also nicht nur fleißig ans Fenster geschleppt, am Bücherregal entlang gehoben und immer mal wieder aus grauer Städte Mauern in die Natur gebracht werden. Nein, Frida nimmt auch am gesellschaftlichen Leben teil.
Dementsprechend freuen wir uns auf die Weltmeisterschaft. Weniger weil wir unsere kleine Maus in schwarz-rot-goldene Fan-Strampler kleiden wollen, sondern weil wir Frida einmal mehr ins Gemeindehaus schleppen können und sie mit dem kirchlichen Vereinsleben beim Public Viewing vertraut machen können.
Aber diese Beschäftigungen sind ja alle meist abends und deshalb heißt es kreativ sein, was die Tagesgestaltung anbelangt. Und hier treffen wir zum Glück auf die so genannte Baby-Beschäftigungs-Industrie.
Die Angebote für Mutter und Kind sind vielfältig. Vom klassischen Rückbildungskurs über Babymassage, PEKiP, Babyschwimmen, Tragen im Tuch, Impfen: ja oder nein, guten Abend, gute Nacht bis zum Bewegungstreff und dem Krabbelkreis können Eltern aus einer Fülle von Offerten wählen.
Da gibt es an manchen Tagen schon mal Sozialstress, schließlich will ja noch gefrühstückt spazieren gegangen, gestillt und gewickelt werden, bevor es zum nächsten Kurs und abends ins Bett geht.
Aber wir geben es ganz offen zu: Wir finden es gut, dass es diese Angebote gibt. Denn erstens gefällt es unserer Frida und zweitens lernt man was dazu. Und das bei den Familienbildungsstätten - so viel Schleichwerbung sei gestattet - zu einem erstaunlich günstigen Preis. Jedenfalls besser (und bestimmt auch billiger) als die sicherlich auch irgendwo angebotenen Kurse "Chinesisch für Säuglinge", "Mozart im Mutterleib" oder "Englisch im Sandkasten".
Einzig bei den Zugangsmöglichkeiten lässt sich sozusagen ökumenisch noch etwas verbessern. Allerdings ist damit nicht die Buchung des Kursangebots gemeint, dies ist dank Internet und Telefon meist problemlos möglich. Nein, es geht ganz trivial um den Weg ins Roncallihaus, in dem der Aufzug für genau einen Kinderwagen ausreicht und um die Abstellmöglichkeiten im neuen Haus an der Marktkirche. Die sind noch nicht fertig. Aber daran wird bestimmt gearbeitet - wetten?

(WT, 11.6.2010)

Donnerstag, 3. Juni 2010

Gedankenspiele und Karriereziele


Es ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Menschheit: Was denken sich eigentlich Babys, die mit rund 12 Wochen und vier Tagen arglos schlummernd oder auch aufmerksam schauend in ihrer Wiege liegen?
"Nichts", lautet die eine Möglichkeit, die aber von der Neurophysiologie, der Psychologie und den Erziehungswissenschaften vehement bestritten wird. Die Naturwissenschaften erklären uns, dass sich durch aufmerksames Spielen, Lachen und Konzentrieren viele Synapsen erst ausbilden und dadurch das Denken überhaupt ermöglicht wird.
Die Psychologen sind sich sicher, dass nur die Ansprache und das Verständnis den Menschen zum Menschen (und damit auch das Baby zum Baby) machen. Und die Pädagogen erklären sowieso alles mit der richtigen Umgebung bzw. der Sozialisation vom ersten Tag an.
Stellen wir uns also mal vor, dass dies die Kriterien sind, die unsere kleine Frida an ihre Umgebung anlegt. An denen sie die Gespräche der Menschen, die auf sie einreden und die von oben in den Wagen schauen, misst.
Denken Sie jetzt auch, was ich denke? Ohne das zweite Gebot zu verletzen, kann man da nur ausrufen: Oh mein Gott - das arme Kind. Denn was sich so über Wiege und Kinderwagen beugt, erfüllt wohl selten die oben beschriebenen Anforderungen der Wissenschaft.
Was soll Frida denken, wenn sich zu gleichen Teilen von Männern und Frauen fachmännisch ausgetauscht wird: "Ganz schön groß geworden in den drei letzten Tagen." "Stimmt, und das Gesicht, so anders!"
Die Vielstimmigkeit kennt bei der "Frida-Beobachtung" keine Grenzen: Das arme Kind wird jeden Tag mit der Tatsache konfrontiert, es sei "ganz der Vater", habe aber "die Nase der Mutter". Eigentlich heißt es ja, solche Reden förderten die frühkindliche Entwicklung, manchmal scheint diese Art der Ansprache aber der direkte Weg in die Depression zu sein.
Zum Glück wird in unserem Verwandten- und Freundeskreis kaum das berühmte "Duzi-Duzi-Du" verwendet, auch das beliebte "ei-wo-isse-denn-die-kleine-Frida" wird selten bemüht (wo sollte sie auch sein, außer im Kinderwagen?)
Andererseits, wo kämen wir hin, wenn jeder Bewunderer einen intellektuellen Diskurs mit unserer Tochter führen würde. Am Ende landete das arme Kind in den gleichen brotlosen Studien wie Mutter und Vater und würde uns ewig auf der Tasche liegen.
Nein, ein bisschen Albernheit, Schabernack und dummes Zeug schadet gar nichts: Schließlich werden die Privatsender in unserem Land immer wirkmächtiger - und wer möchte schon eine kleine Klugscheißerin und Außenseiterin großziehen? Sehen Sie: Egal was die Wissenschaft sagt: "Duzi-Duzi-Du" ist also definitiv entwicklungsfördernd - und wie!

(WT, 3.6.2010)

Montag, 31. Mai 2010

Kleine Große und Große Kleine


Kranzplatzfest 2010: Jetzt gehören auch wir zu den Wiesbadenern, die die Tage nutzen, um nachmittags entspannt in der Sonne zu sitzen und den anderen Kindern beim Spielen zuschauen, während Frida selig schläft.
Und wir gehören nun auch zu der Gruppe, die nach dem Soundcheck, kurz vor 17.00 Uhr den Kranzplatz verlässt, weil es nun richtig laute Musik gibt. Gute zwar, aber leider für Kinder zu laut.
Auf dem Weg zur Wiese kommen wir an mehreren Müttern und Vätern mit Nachwuchs aller Altersgruppen vorbei. In dieser hoch-sympathischen Stimmung hören wir so manches Mal: "Ooooch, das ist aber noch ganz klein - wie süß!"
Nun. Natürlich ist unsere Frida noch ganz klein, schließlich hat sie übermorgen erst ihren 12-wöchigen-Geburtstag. Trotzdem finden wir ganz subjektiv, dass Frida schon richtig groß ist. Eine große Kleine sozusagen.
Dieses Urteil wird vom Kinderarzt wissenschaftlich gestützt: Mittlerweile ist unser Nachwuchs 56 Zentimeter lang und über 4.500 Gramm schwer. Jawollja. Wir wischen dann immer den Einwand zur Seite, dass es Babys gibt, die bereits mit diesem Gewicht zur Welt kommen. Wir sind trotzdem stolz.
Eigentlich meinen es die Kommentatoren ja auch nur gut - sie erinnern sich, wie das bei ihren Kindern war und dass solche süßen kleinen Würmchen eben noch pflegeleichter sind, als ihre kleinen Großen, die jetzt dauernd am Rockzipfel ziehen und noch einen Crêpe, ein paar Poffertjes oder eine Bratwurst haben wollen (und zwar sofort).
Insgesamt kann man es auch nur als Wunder bezeichnen, wie das mit dem kindlichen Wachstum so vor sich geht. Uns kommen schon die Kinder groß vor, die nur wenige Wochen vor Frida auf die Welt gekommen sind. Die sind schon richtig massiv - so wird unser filigranes Töchterlein natürlich nie werden!
Aber wirklich: bemerkenswert ist doch der Zeitfaktor. Unsere Welt wird immer schneller, alles muss sofort erledigt werden, duldet keinen Aufschub. Jede Nachricht wird getwittert oder ge-smst, wer auf Mails nicht im Minutentakt antwortet, ist langsam und das Internet versorgt uns andauernd mit neuen Nachrichten.
Da ist das Wachstum von Kindern doch eine wohltuende Entschleunigung des Alltags. Denn seit Jahrtausenden wachsen Kinder nun mal in der Geschwindigkeit, in der sie wachsen. Egal wie hektisch wir uns die Welt machen, Babys haben ihren eigenen Rhythmus - und das scheint mir gut so.
Und deshalb ist Frida immer noch recht klein - trotz des für uns beobachtbaren rapiden Wachstums. Eine große Kleine sozusagen.

(WT, 28.5.2010)

Schlaflos in Wiesbaden

Sehen Sie meine leicht geröteten Augen? Nein, sehen Sie natürlich nicht – Sie lesen ja diese Kolumne. Nun, ich hatte ja bereits vor einigen Wochen über die unterbrochenen Nächte geschrieben, hier ist die Fortsetzung.
Mit dem Schlafverhalten unserer Frida ist es wie mit den derzeitigen Aktienwerten an der Frankfurter Börse: Der reinste Zickzack-Kurs. Nachdem wir einige Wochen durchaus ruhige Nächte verbringen durften, befinden wir uns momentan in der Bauchweh-Zeit.
Diese Phase ist sicherlich vielen Eltern bekannt und wir wollen uns auch nicht beschweren, schließlich war Frida die ersten Wochen davon nicht betroffen. Aber inzwischen klappt das mit der Verdauung nicht mehr so gut und damit sinken die Schlaf-Kurse.
Was also tun, wenn sich unser kleines Würmchen vor Schmerzen krümmt? Das, was alle tun, getan haben und tun werden: Raus aus der Wiege und rein in den Fliegergriff. Damit wird es meist schlagartig besser, die kleine Maus beruhigt sich und sieht etwas entspannter aus.
Einziges Problem: Es ist da mal 3.30 Uhr nachts oder auch 5.00 Uhr morgens. Die müden Eltern tigern durch das Wohnzimmer und stellen sich Fragen über Gott und die Welt: Sind wir eher im Glück, weil wir viele Wochen Ruhe hatten oder eher im Pech, weil uns die grimmigen Frida-Flatulenzen doch noch erreicht haben? Ist es nicht ungerecht, dass wir hier in der Mitte der Nacht durch die Wohnung wackeln, obwohl doch angeblich nur Jungen von den berüchtigten Dreimonatskoliken heimgesucht werden?
Das Schlimmste aber scheint uns beiden das Nichtstun. Kann man oder frau am Nachmittag noch geistlose Sendungen im Privatfernsehen verfolgen, wenn es um nichts anderes als um die schaukelnden Bewegungen geht, so ist das nachts schon schwieriger. Denn erstens laufen nur Wiederholungen und zweitens soll Frida ja bald wieder einschlafen, eine bunt-laute Fernsehkulisse erscheint um halb vier dafür nicht gerade optimal.
Was also tun? Die Buchrücken im Regal habe ich bereits im Großhirn abgespeichert, die Autokennzeichen auf der Straße auswendig gelernt und die dazu passenden Automarken memoriert. Händeringend suche ich den Bürgersteig nach Nachtschwärmern ab, die etwas Abwechslung in mein schuckelndes Dasein bringen. Aber um vier Uhr ist das in unserer Straße wenig erfolgreich. Und ab sechs Uhr morgens ist zwar das Radio durchaus zu empfehlen, aber das Nachtprogramm?
Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich voll auf Frida zu konzentrieren. Und irgendwie ist das ja auch der Sinn der Sache. Obwohl, vielleicht sollte ich doch mal den MP-3-Player...? Die Fragen nehmen mit dem Kindesalter nicht ab.

(WT, 21.5.2010)

Leistungsdruck


Neulich bei einer unterhaltsamen Kabarett-Veranstaltung unserer Pfarrgemeinde: Frida war der Star des Abends und schlummerte in der Bauchtrage friedlich von Anfang bis Ende und in der Pause gab es unweigerlich Gespräche mit anderen frisch gebackenen Eltern.
"Och, Marie schläft seit etwa zwei Monaten durch. Ich bringe sie um acht ins Bett und dann wacht sie so morgens um sechs wieder auf." Leichtes Schlucken unsererseits. Denn Marie ist gerade einmal fünf Monate älter als Frida.
Erste Selbstzweifel auf dem Heimweg: Was machen die anders? Warum fordert Frida immer noch zwei Mal die Nacht ihre Extraportion Milch? Ratlosigkeit macht sich breit. Und es beschleicht uns das Gefühl, dass dies erst der Anfang ist.
"Habt Ihr schon einen Kindergartenplatz", wurden wir letztens gefragt. Pflichtschuldigst ging keine drei Stunden nach der Zweifel säenden Frage die E-Mail an die Kita unseres Vertrauens, ob wir in den nächsten Wochen vorstellig werden dürften, um unsere Frida für den Sommer 2013 (!) anzumelden. Zum Glück bekamen wir eine entspannte Antwort, dass diese Kindertagesstätte nach anderen Kriterien auswählt, nicht so sehr nach dem Anmeldedatum.
Beide Beispiele zeigen: Als Eltern steht man (und frau) eigentlich permanent unter Beobachtungs- und Leistungsdruck. Kein Wunder, dass alle Kinder später einmal kleine Einsteins werden müssen - irgendwohin muss dieser Druck ja weitergegeben werden!
Obwohl wir uns vorgenommen haben, die Sache etwas entspannter anzugehen, kommen wir um einige Fragen nicht herum: Was ist mit einem Krippenplatz? Der wäre in einem Jahr nötig, sollten wir uns nicht besser sputen? Wie ist es mit Babymassage, Kinderschwimmen oder PEKiP? Vermasseln wir unserer Frida die Zukunft, wenn sie nicht schon im Babyalter optimal gefördert wird? Fragen über Fragen.
Und wir geben es ganz ehrlich zu: Einige Zweifel bleiben immer übrig - woher sollten wir beim ersten Kind auch wissen, was zu tun und was zu lassen ist? Am besten fahren wir allerdings mit den Ratschlägen der beiden Uromas unserer Frida: "Die Kinder werden in jedem Fall groß - macht Euch mal nicht so viel Stress." Das wollen wir in Zukunft stärker beherzigen.
Trotzdem werden wir natürlich in den kommenden Monaten bei unserer Kita vorbeischauen und Frida schon einmal anmelden. Sicher ist sicher.

(WT, 13.5.2010)

Neusprech für Eltern

"Neusprech" heißt die Sprache, die George Orwell in seinem famosen Roman "1984" erfunden hat, um die Bewohner seines Überwachungsstaates zu kontrollieren. Nun, wir leben zwar in einer Demokratie, aber die Sprache passt sich schon subtil der neuen Elternrolle an.
Dabei geht es nicht um solch komische Ausdrücke wie "Schnullern" oder die vielen Kosenamen auf die Eltern zur Beruhigung ihres Nachwuchses kommen. Es soll auch nicht hinterfragt werden, warum selbst Eltern kleinster Babys davon sprechen, dass ihr Kind nachts "mindestens drei Mal kommt", obwohl es doch noch gar nicht laufen kann.
Nein, hier geht es um die Eltern als zu werbende Zielgruppe für eine Unzahl von Produkten - also um das "Marketingsprech", wenn man so will, um die heillos überforderten Konsumenten, die ja nur um das Wohl ihres Nachwuchses besorgt sind, einzuwickeln.
"Nach einem Tag voller Eindrücke braucht Ihr Baby eine ruhige Nacht, heißt es da in einer Broschüre und ich bin geneigt auszurufen: "Nicht nur das Baby!"
Schön, dass unsere Frida also eine gute Nacht braucht - diese scheint aber offenbar nur mit dem "Gute-Nacht-Fläschchen" des Nahrungsmittelherstellers garantiert. Liegt das nächtliche Bauchweh also daran, dass wir noch kein "Gute-Nacht-Fläschchen" geben können, das "Ihr Baby nach einem Tag voller Abenteuer nachts wohlig satt hält" und das "Bio-Folgemilch und glutenfreien Buchweizen" enthält? Erste Zweifel kommen auf.
Weiter geht es mit dem vorbeugend schlechten Gewissen, denn wir erfahren, dass zu einem "Tag voller Abenteuer" auch ein guter Start gehört - natürlich mit dem "Guten-Morgen-Fläschchen".
Aber es sitzt einem der Zweifel ja nicht nur bei der Ernährung im Nacken: Egal ob Kleidung, Windeln oder Spielsachen - Eltern werden an allen Ecken und Enden daran erinnert, dass nur "unsere Windel" den perfekten Tragekomfort für wohliges und sauberes Liegen" bietet. Oh je.
Denn mit unseren Windeln aus dem Drogeriemarkt müssen wir da wohl oder über alt aussehen. Die sind zwar viel billiger, gleichen der Premiummarke aufs Haar und versprechen ebenfalls Schutz vor Nässe und Schlimmerem, aber ob sie wirklich so gut sind, wie der Marktführer? Wieder einmal scheinen Zweifel angebracht. Es wird also sicherlich dringend Zeit für ein neues Wörterbuch mit etwas sperrigem Titel: "Marketingsprech für junge Eltern - Verlässliches Deutsch".

(WT, 7.5.2010)